Alle paar Jahre gibt es in der Welt der Berater und Coaches neue Methoden, die sich bewähren und damit lohnen, langfristig in den Berater-Werkzeugkasten aufgenommen zu werden. Eine davon ist zum Beispiel die Gewaltfreie Kommunikation von Marshall Rosenberg oder eben “The Work” von Byron Katie.

Wie bei allen Werkzeugen macht es nur Sinn, diese in unser Lebens-und Sozialberater bzw. Coach Repertoire aufzunehmen, wenn sie einen wirklichen Mehrwert bieten – und das tut The Work von Byron Katie mit Sicherheit.

Eine frische Perspektive mit „The Work“ bekommen

Unsere Glaubenssätze bestimmen unsere Wahrnehmung der Welt – das ist nichts Neues.  Manchmal ist es aber so, dass sich diese Glaubenssätze sehr gut verstecken – und sich hin und wieder sogar als “die Realität” ausgeben.

Diese Glaubenssätze herauszufinden und zu hinterfragen ist eine der wichtigsten Funktionen von The Work.
Bevor wir nun konkret auf die Methode eingehen, lass uns zuerst mal einige  Grundverständnisse von “The Work” betrachten.

Wenn wir uns in Situationen wiederfinden, die uns ausweglos erscheinen, so liegt das oft daran, dass wir das Gefühl haben, nichts ändern zu können. Eine der grundlegenden Bestandteile der „Work-Methode“ ist die Unterscheidung der „3 Angelegenheiten“.

Laut Byron Katie gibt es:

  • Meine Angelegenheiten
  • Deine Angelegenheiten
  • Die Angelegenheiten einer höheren Macht (Gott, Natur etc)

Die Angelegenheiten unserer Mitmenschen (z.B. deren Verhalten) oder die einer höheren Macht (z.B. Naturkatastrophen) anders haben zu wollen als sie tatsächlich sind,  lässt uns leiden, wie Katie feststellt.

Hier geht es wohlgemerkt nicht darum, jemand anderen nicht um eine Veränderung seines Verhaltens bitten zu dürfen, sondern schlicht um die Anerkennung der Tatsache, dass ein vergangenes Verhalten oder eine tatsächliche Verhaltensänderung beim Anderen nicht ursächlich von uns bewirkt werden kann.

Nur allzu oft gehen wir aber durch die Welt mit der tiefen Überzeugung, dass jemand/etwas nicht so sein sollte wie es eben ist, und erleben das als eine Tatsache. „Realität“ ist nach Byron Katie etwas, das ohne Wertung das beschreibt „was ist“.

Ein Beispiel:

„Mein Mann bringt einmal pro Woche den Müll raus.“ ist eine Realität (wenn es tatsächlich so oft passiert ;)), wogegen „Mein Mann sollte öfters den Müll raus tragen!“ eine Überzeugung ist.

Ich kann nun meinen Mann darum bitten, den Müll zweimal pro Woche raus zu bringen, aber ob er das dann tut, ist seine Angelegenheit.

Wenn du nun aber glaubst, dein Mann sollte das tun und er tut es offensichtlich nicht, dann leidest du (und nicht dein Mann) – du bewegst dich außerhalb deiner Angelegenheit.

Was wäre nun in diesem Fall aber deine Angelegenheit?

Zum Beispiel “The Work” mit der Überzeugung (“Mein Mann sollte….”) zu machen, wenn es für dich ein Problem ist. Alternativ wäre es auch innerhalb deiner Angelegenheit, den Müll selbst raus zu bringen, anstatt dich zu ärgern. Dies ist nicht als Empfehlung oder Ratschlag gedacht, sondern dient einfach dem Aufzeigen von weiteren Optionen, die sich dir eröffnen, wenn du dich innerhalb deiner Angelegenheiten befindest.

Wie „The Work“ von Byron Katie nun konkret funktioniert

Die „Work“ sind 4 Fragen (und eine bzw. mehrere Umkehrungen), die du auf alle Dinge in deinem Leben anwenden kannst, die dir nicht gut tun oder dich leiden lassen.
Um in dem oben genannten Beispiel zu bleiben, würden wir nun mit der Überzeugung „Mein Mann sollte öfters den Müll raus bringen“ arbeiten.

Die erste Frage dazu wäre nun „Ist das wahr?“.

Wahrheit bezieht sich in diesem Fall auf das, was wirklich ist.
Die Wahrheit wäre also, dass dein Mann so oft den Müll raus bringt, wie er es eben tut (in dem Fall 1x pro Woche).
Die Überzeugung „Er sollte ihn öfters raus bringen“ ist also nicht wahr.
Kati dazu: “Woran erkenne ich, dass mein Mann nicht öfters den Müll raus bringen sollte? Ganz einfach: Er tut es nicht! (=Realität)”

Manchmal fällt es uns schwer, die Realität (=„das was ist”) von unseren Überzeugungen über diese zu unterscheiden. In solchen Fällen würden wir vielleicht auf die erste Frage, mit „Ja, klar ist das wahr!“ antworten.

Weil uns “The Work” dazu auffordert, 100% ehrlich mit uns selbst zu sein, gibt es die zweite Frage, die uns genau zu dieser schonungslosen Ehrlichkeit einlädt. Diese lautet “Kann ich mit 100%iger Sicherheit sagen, dass es wahr ist?“

Byron Katie ist zur Erkenntnis gekommen, dass unser Leiden schlicht daraus besteht, dass wir Dinge für wahr halten, die es nicht sind. Das ist der einzige Grund für Leid.  (Diese Erkenntnis hatte übrigens schon Buddha vor mehr als 2000 Jahren und hat dies in anderen Worten in seinen “4 edlen Wahrheiten” formuliert.)
Deswegen sagt Katie auch öfters: „Möchtest du die Wahrheit kennen und frei sein, oder lieber recht behalten und leiden?“

Wenn du als Lebens- und Sozialberater oder Coach mit “The Work” von Byron Katie arbeitest, wirst du auch immer wieder auf Klient/innen stoßen, die dir eigentlich nur beweisen wollen, wie recht sie haben. Da du den Blickwinkel deiner Klient/innen aber ein Stück weiten möchtest, bleibst du hartnäckig und fährst mit der 3. Frage fort.

Diese lautet “Wie fühlt es sich an, das (=die unwahre Überzeugung) zu glauben?“

Wie fühlt es sich an, zu glauben, dein Mann sollte den Müll öfters raus bringen – und er tut es offensichtlich nicht?
Das können Gefühle der Frustration, Traurigkeit oder Enttäuschung sein,  Ärger und Wut können aufkommen bis hin zu dem Gefühl, ungeliebt und unverstanden zu sein. Manche stellen vielleicht sogar die komplette Beziehung in Frage.

Hier kommt ein wesentlicher Faktor, der “The Work” so effektiv macht, ins Spiel. Während wir vorher gedacht haben, unsere schlechten Gefühle würden von unserem faulen Partner („Mein Partner ist faul. Ist das wahr?“) kommen, so können wir nun sehen, dass diese Gefühle vielmehr von unseren (teilweise unbewusst) festgehaltenen Überzeugungen kommen.
Diese Erkenntnis geht einher mit einer Selbstermächtigung, denn nun bin ich in „meiner Angelegenheit“ (= meine Gedanken und Gefühle) und nicht mehr in der meines Partners.

Nun folgt die 4. Frage: “Was bzw. Wer wäre ich ohne diesen Gedanken?“

Also konkret: Was wäre ich ohne den (unwahren) Gedanken „Mein Mann sollte den Müll öfters raus bringen!“?
Die Frage ist eine Einladung, festzustellen wie sich eine neutrale Realität anfühlt. Z.B. eine Frau, die ihren Mann einmal pro Woche den Müll raus bringen sieht.
Oft wird das als sehr befreiend erlebt und man kann plötzlich auch andere Sichtweisen erleben. Das schlechte Gefühl fällt weg und allein dadurch ist es vielleicht schon möglich, besser mit dem eigenen Partner zu kommunizieren und auch seine eigenen Bitten klarer auszudrücken.

Die Umkehrung in “The Work” von Byron Katie

Nach den 4 Fragen sind wir dann eingeladen, eine sogenannte „Umkehrung“ des ursprünglichen Glaubenssatzes zu finden. Dies dient unter anderem dazu, „die Realität“ besser sehen zu können.

Eine Umkehrung in unserem Beispiel könnte lauten: „Mein Mann sollte nicht öfters den Müll raus bringen.“ Das ist zwar das Gegenteil der ursprünglichen Überzeugung, entspricht aber viel eher „dem was ist“, denn er tut es offensichtlich nicht öfters.

Eine weitere Umkehrung – und hier können wir sehr kreativ sein – wäre aber auch: „Ich sollte den Müll öfters raus bringen“. Die Umkehrung von der anderen Person zu „Ich“ kann oft Abwehrmechanismen, Rechtfertigungen oder sogar Entrüstung auslösen.
Eine andere Sichtweise wäre aber auch: Wenn ich glaube, dass der Müll öfters raus gehört, dann kann auch ich es umsetzen und brauche niemand anderen, der mich glücklich macht.

Eine weitere spielerische Umkehrung wäre, statt dem Anderen „Meine Gedanken“ einzusetzen. Z.B. „Meine Gedanken sollten öfters raus“ (=aus ihrem eigenen Gefängnis) oder „Ich sollte öfters den Müll in/aus meinen Gedanken raus bringen”, was auch genauso wahr sein kann wie die ursprüngliche Überzeugung.

„The Work von Byron Katie“ als Coachingtool anzuwenden braucht (trotz seiner relativen Einfachheit) einiges an Übung, denn die Methode ist oft kontraintuitiv in ihrer Anwendung. Wir sind (kollektiv) meist gewohnt, zuerst die Verantwortung für unsere Gefühle in unseren Mitmenschen zu sehen und nicht in uns selbst.

Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Methode sind aber so zahlreich wie ihre Implikationen auf unser Leben.

Unser Tipp ist es, zuerst mit dir selbst und deinen täglichen Herausforderungen regelmäßig zu worken, und so Sicherheit im Umgang mit dieser Coachingmethode zu erlangen, bevor du sie bei deinen Klient/innen anwendest.

Als weiterführende Literatur empfehlen wir die Bücher „Ich will ja loslassen, doch woran halte ich mich dann fest?“ von Ina Rudolph und „Wer wäre ich ohne mein Drama? Konfliktlösungen mit „The Work“ von Byron Katie.