Komfortzone verlassen, ohne die Komfortzone zu verlassen; ist das überhaupt möglich? Vielleicht noch nicht für alle Anwendungsfälle, aber in ein paar Bereichen ist es heute schon eine echte Möglichkeit.
Mit der Hilfe von Virtueller Realität oder „Virtual Reality“ (VR) wachsen die Möglichkeiten von Coachings und Trainings stetig. Was hinter der Virtuellen Realität steckt und wie es uns im Coaching- und Trainingsalltag unterstützen kann, schauen wir uns in diesem Blogartikel mithilfe von diversen Studien und Prognosen im Detail an.
Was ist Virtuelle Realität?
Stell dir eine Welt vor, in der du deine Ziele klar visualisiert vor dir sehen, du dich potenziellen Hindernissen stellen und Neues ausprobieren kannst – alles in einer sicheren und kontrollierten Umgebung. Das kann uns jetzt Virtuelle Realität ermöglichen, eine Technologie, die nicht nur die Unterhaltungsindustrie maßgeblich geprägt hat, sondern auch spannende neue Möglichkeiten im Bereich des Coachings eröffnet.
VR, kurz für Virtuelle Realität, bietet eine immersive Erfahrung (= das vollständige Eintauchen in eine Umgebung oder Aktivität), die Nutzer*innen in eine komplett simulierte Umgebung eintauchen lässt. In der Coaching-Branche wird diese Technologie zunehmend als Werkzeug genutzt, um komplexe emotionale und psychologische Prozesse zu unterstützen. Obwohl laut RAUEN Coaching-Marktanalyse 2023 bisher weniger als ein Prozent aller Coaches VR nutzen, steigt das Interesse stetig an.
Die Potenziale von Virtueller Realität im Coaching
Die Vorteile von Virtueller Realität im Coaching sind vielfältig. Durch die Immersion, also das vollständige Eintauchen in eine virtuelle Welt, können Klient*innen sich intensiv auf ihr Anliegen konzentrieren. VR ermöglicht somit eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten, darunter Aufstellungsarbeiten, Visualisierungen, Perspektivwechsel und innovative Präsentationstechniken.
Ein Beispiel für die praktische Anwendung ist die Arbeit mit dem inneren Team oder systemische Aufstellungen. Mithilfe von VR-Plattformen wie RAUM und Glue können Teilnehmer*innen in Multi-Player-Umgebungen mit Avataren interagieren und komplexe innere Zustände visualisieren. Ebenfalls ein beliebtes Tool ist die Software von Coachingspace, die mit einem Systembrett arbeitet und somit ein tiefgehendes Verständnis für innere Teammitglieder ermöglicht.
Studien und Forschungsergebnisse zu Virtueller Realität
Betrachten wir zunächst die Studie von Dunmoye (2022), die untersucht hat, wie VR genutzt werden kann, um das Selbstvertrauen und die Stressbewältigungsfähigkeiten von Nutzer*innen zu verbessern: Teilnehmer*innen, die VR-Coaching-Sitzungen erlebten, berichteten von einer signifikanten Steigerung ihres Selbstbewusstseins und einer verbesserten Fähigkeit, Stresssituationen zu managen.
Eine weitere Studie, durchgeführt von Hofmann (2021), konzentrierte sich auf die Verwendung von VR zur Behandlung von Sprechängsten. Die Studie fand heraus, dass Virtual-Reality-Coaching ein effektives Mittel sein kann, um Menschen in einer kontrollierten und sicheren Umgebung mit ihren Ängsten zu konfrontieren. Die Teilnehmer*innen konnten ihre Redeangst in simulierten, aber realistisch wirkenden öffentlichen Sprechsituationen trainieren und so ihre Fähigkeiten deutlich verbessern.
Makransky und Petersen (2021) beleuchteten wiederum den Einsatz von VR in der Bildung und im Training. Ihre Studie zeigte, dass VR das Potenzial hat, Lernerlebnisse zu intensivieren und zu personalisieren. Durch den Einsatz von Virtueller Realität in Trainingsprogrammen konnten Teilnehmer*innen komplexe Konzepte schneller verstehen und behalten.
Schäfer (2023) hingegen untersuchten die emotionale Wirkung von Virtueller Realität. Sie stellten fest, dass VR eine starke emotionale Reaktion hervorrufen kann, was besonders nützlich ist, um im Coaching-Prozess auf einer tieferen, emotionalen Ebene anzustoßen.
Schuster (2022) und Wolfartsberger (2021) haben sich mit der Integration von VR in die berufliche Weiterbildung beschäftigt. Ihre Ergebnisse zeigen, dass VR eine effektive Methode sein kann, um berufliche Fähigkeiten in einer sicheren, risikofreien Umgebung zu trainieren.
All diese Studien und Forschungsergebnisse – und natürlich noch viele mehr – belegen das Potenzial von Virtueller Realität im Coaching. Sie zeigen auf, dass VR nicht nur ein innovatives Tool ist, sondern auch einen echten Mehrwert für das Coaching bieten kann, indem es die Entwicklung von Fähigkeiten unterstützt, die emotionale Tiefe von Sitzungen verstärkt und neue Perspektiven für die persönliche und berufliche Entwicklung eröffnen kann.
Praktische Anwendungsmöglichkeiten
Virtueller Realität kann in Verbindung mit Coachings Türen zu zahlreichen innovativen Anwendungsmöglichkeiten öffnen. Neben der bereits erwähnten Arbeit mit dem inneren Team und systemischen Aufstellungen, bietet VR vielfältige weitere Einsatzgebiete – in diese wollen wir jetzt einen tieferen Blick werfen.
Aufstellungsarbeit und innere Teamarbeit: VR ermöglicht eine visuelle Darstellung von Aufstellungsarbeit. Mit den passenden Tools können Coaches und Klient*innen in einer virtuellen Umgebung mit Avataren und 3D-Objekten interagieren. Diese Technologie ermöglicht es, komplexe Beziehungsgeflechte und innere Konflikte sichtbar und somit besser verständlich machen zu können.
Visualisierungen und Perspektivwechsel: VR bietet die Möglichkeit, Situationen oder Ziele zu visualisieren, um sie für die/den Klient*in ansprechend zu machen. Diese Visualisierungen können Klient*innen helfen, ihre Ziele klarer vor sich zu haben und motivierender zu gestalten. Durch den Perspektivwechsel, der in einer VR-Umgebung möglich ist, können Klient*innen Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und dadurch neue Einsichten für sich gewinnen.
Stressreduktion und Entspannungstechniken: Durch den Einsatz von VR haben Klient*innen die Möglichkeit mit mehreren Sinnen in beruhigende und entspannende Umgebungen eintauchen. Diese Technologie wird zunehmend in der Stressbewältigung und Meditation eingesetzt, um eine tiefere Entspannung zu ermöglichen.
Arbeit mit Phobien: Ein besonders vielversprechendes Feld ist die Behandlung von Phobien. Zum Beispiel kann VR in der Therapie von Arachnophobie (Angst vor Spinnen) eingesetzt werden. Klient*innen werden schrittweise und in einer kontrollierten Umgebung mit ihrer Angst konfrontiert und können Handlungsmuster in einer gesicherten Umgebung entwickeln.
Diese Methode, bekannt als Expositionstherapie, kann schrittweise durchgeführt werden, wobei die Intensität der Erfahrung entsprechend der Reaktion des Klienten/der Klientin angepasst wird. Durch wiederholte Exposition in einer sicheren Umgebung können Klient*innen lernen, ihre Angst zu kontrollieren und letztendlich zu überwinden.
Simulation herausfordernder Situationen: VR kann auch genutzt werden, um herausfordernde Situationen zu simulieren, wie etwa öffentliches Sprechen oder das Navigieren in sozialen Situationen. Diese Simulationen bieten Klient*innen eine risikofreie und trotzdem realitätsnahe Umgebung, in der sie neue Strategien ausprobieren und Selbstvertrauen aufbauen können.
Diese praktischen Anwendungsmöglichkeiten zeigen, wie vielseitig Virtual Reality bereits heute im Bereich des Coachings sein kann. Von der tieferen Selbsterkenntnis über die Stressreduktion bis hin zur Überwindung von Phobien eröffnet VR neue Wege für die persönliche und berufliche Entwicklung.
Herausforderungen und Grenzen von Virtueller Realität im Coaching
Trotz der vielseitigen Möglichkeiten, die VR im Coaching bieten kann, gibt es auch Herausforderungen und Grenzen. Eine der Hauptproblematiken ist die kognitive und körperliche Belastung, die mit dem längeren Tragen von VR-Brillen einhergehen kann.
Ebenso kann die technische Handhabung sowohl für Coaches als auch für Klient*innen eine Hürde darstellen. Coaches tragen dementsprechend die Verantwortung, mit der verwendeten VR-Technologie ausgiebig vertraut zu sein, um ihre Klient*innen in der Handhabung unterstützen zu können.
Eine weitere Hürde, die auftreten kann, ist die kognitive Überlastung. VR-Umgebungen bieten eine Fülle von sensorischen Reizen, die, wenn sie nicht gut verwaltet werden, zu einer Überforderung der Klient*innen führen können. Es ist daher wichtig, VR-Sitzungen angemessen zu strukturieren und die Dauer an die individuellen Bedürfnisse der Klient*innen anzupassen
Zukünftige Entwicklung Virtueller Realität im Coaching
Die Zukunft von VR im Coaching sieht vielversprechend aus und bleibt auf jeden Fall spannend. Mit fortschreitender Technologie und zunehmender Verbreitung von VR-Systemen in Privathaushalten wird die Technologie zugänglicher und benutzerfreundlicher. Zukünftige Entwicklungen könnten eine noch realistischere Immersion, verbesserte Interaktionsmöglichkeiten und eine genauere Erfassung und Analyse von nonverbalen Signalen im Coaching-Prozess beinhalten.
Darüber hinaus wird die Integration Künstlicher Intelligenz in VR-Plattformen das Coaching weiter verändern und personalisieren. Diese Technologien könnten zukünftig dabei helfen, personalisierte Szenarien und Übungen basierend auf den individuellen Bedürfnissen und Zielen der Klient*innen zu entwickeln.
Bist du genauso fasziniert von den Möglichkeiten, die Virtual Reality im Coaching bieten kann, wie wir? Nicht nur Virtuelle Realität kann uns Neues bieten – auch auf anderen Ebenen hat sich die Coaching- und Weiterbildungsbranche in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und digitalisiert.
So haben auch wir einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht und die il Online Akademie ins Leben gerufen – unsere interaktive Lernplattform, auf der du Aus- und Weiterbildungen besuchen kannst. Das Beste daran? Die Rahmenbedingungen der Ausbildung passen sich individuell an dich an – lerne von wo und wann du willst. Mehr Infos zur Ausbildung zum Horse Assisted Coach und zu unserer Visuellen Impulswerkstatt findest du direkt auf der Webseite der Online Akademie.
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Verwendete Quellen:
Rauen, C. et al. (2023). RAUEN Coaching-Marktanalyse 2023. Abrufbar unter: www.rauen.de/cma
Dunmoye, I.; May, D. & Hunsu, N. (2022). An Exploratory Study of Social Presence in a Collaborative Desktop Virtual Reality (VR) Land Surveying Task. IEEE. 2022 IEEE Frontiers in Education Conference (FIE).
Makransky, G. & Petersen, G. B. (2021). The Cognitive Affective Model of Immersive Learning (CAMIL): a Theoretical Research-Based Model of Learning in Immersive Virtual Reality. Educational Psychology Review
Schäfer, C.; Rohse, D.; Gittinger, M. & Wiesche, D. (2023). Virtual Reality in der Schule. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung
Schuster, L.; Friedrich, A. S.; Kothgassner, O. D. & Zemp, M. (2022). Virtual Reality als Trainingstool in der Klinischen und Gesundheitspsychologie. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Wolfartsberger, J.; Riedl, R.; Jodlbauer, H. et al. (2021). Virtual Reality als Trainingsmethode: Eine Laborstudie aus dem Industriebereich. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik