Im breiten Feld des Coachings gehören Patchwork-Familien zu einem wachsenden Klientel. Nicht nur weil deren Anzahl beständig steigt – aktuell sind es ca. 10% aller Familien-Konstellationen – sondern auch weil es in diesem Gefüge verständlicherweise großes Konfliktpotential gibt.
Hier sind Familiencoaches gefragt, die einzelnen Familienmitgliedern oder dem ganzen System hilfreich zur Seite stehen.

Die Herausforderungen in Patchwork-Familien

In einem System, in dem nicht nur mehrere Erwachsene und Kinder operieren, sondern es auch dementsprechend unterschiedliche Kommunikationsebenen gibt, gilt es mit viel Bedacht und Feingefühl vorzugehen. Neben der Frage nach Verantwortlichkeiten (z.B. Wie weit darf bzw. soll ein neuer Partner bei der Erziehung der Kinder des Partners mitwirken?) spielen hier auch verletzte Gefühle auf der Paarebene eine große Rolle. Obwohl es wünschenswert ist, eine funktionierende Eltern-Rolle über die “Ex-Paar“-Ebene zu stellen, heilt diese nicht die zugrundeliegenden Verletzungen aus der vergangenen Partnerschaft.
Es braucht also eine Balance zwischen Sachebene und Emotionen, eine möglichst sachliche Herangehensweise, ohne dabei die darunter liegenden Gefühle zu verleugnen.

…und ein möglicher Coaching Ansatz

Eine Coaching-Methode, die sich im familiären Kontext bewährt hat, ist die der gewaltfreien Kommunikation.
Kommunikation ist allerdings nicht automatisch „gewaltlos“ wenn dabei niemand vermöbelt wird, sondern bezeichnet eine von Marshall B. Rosenberg entwickelten Methode, die sich prinzipiell aus folgenden 4 Schritten zusammensetzt:

1. Neutral beobachten, was geschieht / geschehen ist
2. Gefühle wahrnehmen
3. Bedürfnisse benennen
4. Eine Bitte formulieren

Nehmen wir eine typische Patchwork-Familie als Beispiel. Der Vater holt seine Kinder bei der Mutter und ihrem neuem Partner am Wochenende ab. Dabei kommt es immer wieder zu Verstimmungen und die Mutter sucht deshalb einen Familien-Coach auf.
„Jedes Mal, wenn mein Exmann die Kinder am Wochenende abholt, bringt er ihnen ein Geschenk mit und grinst mich dabei an, als wolle er mir seine Überlegenheit beweisen. Er will sich nur als der Gute darstellen, sich bei den Kindern einschleimen und mich als die böse Mutter wirken lassen, die immer alles verbietet! Mein neuer Lebenspartner sitzt auch nur daneben und tut nichts! Alleine wenn ich daran denke, wird mir übel und ich würde am liebsten nicht mal die Tür öffnen, wenn er wieder läutet!“

In so einem Coaching-Setting würde der Familien-Coach nun z.B. die Schritte der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) erklären und sie praktisch mit der Klientin anwenden.
Zuerst geht es darum, die Situation ohne Bewertung und Verurteilung zu beschreiben – so wie wenn eine Kamera die Situation beobachten würde. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise:
„Am Wochenende holt mein Exmann unsere Kinder zu sich. Er bringt ihnen ein Geschenk mit und lächelt, wenn unsere Kinder vor ihm stehen. Mein Lebensgefährte ist dabei in unserer Wohnung.“
Durch den Verzicht auf Verallgemeinerungen, Vermutungen und Annahmen stellt diese Beschreibung die Situation viel realistischer und neutraler dar. Niemand wird angegriffen oder irgendwem Schuld in die Schuhe geschoben. Dies ist ein guter Anfang für eine gelingende und gewaltfreie Kommunikation.

Da die Gefühle nicht zur Seite geschoben werden sollen, folgt nun der zweite Schritt. Manche Emotionen sind offensichtlich und manche verstecken sich hinter der ursprünglichen Anschuldigung. Eine Beschreibung der Gefühle, die mit Hilfe des Familien-Coaches aufgedeckt werden, könnte so aussehen:
„Ich bin sauer und wütend, wenn ich sehe, wie er den Kindern Geschenke mitbringt. Ich bin traurig darüber, dass meine Kinder am Wochenende nicht bei mir sind und dass sie sich für ein Elternteil entscheiden müssen. Ich weine viel an den Wochenenden und brauche viel Aufmerksamkeit von meinem Lebenspartner.“
Auf Grund dieser klaren Beschreibung kann nun der Familien-Coach mit der Klientin die einzelnen Gefühle besprechen, wie es sich anfühlt und wo im Körper sich diese Gefühle zeigen.
Auf diesem Weg nähern wir uns den dahinter befindlichen Bedürfnissen und damit Schritt 3 im GfK-Prozess.

In der GfK wird ein Bedürfnis als ein Verlangen definiert, das einen empfundenen Mangel beseitigt. So gibt es Grundbedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung usw. Der Indikator für ein erfülltes oder unerfülltes Bedürfnis sind unsere Gefühle.
Der Familien-Coach wird nun mit der Klientin diese Bedürfnisse auf Grund der aktuellen Situation erheben. Im Gespräch kann sich nun unter anderem zeigen, dass sich die Klientin an den Wochenenden alleine fühlt. Dass sie traurig ist, weil sie ein geselliges Miteinander schätzt und es gerade an den Wochenenden vermisst, gemeinsame schöne Erlebnisse zu haben. Sie wünscht sich eine bessere Gesprächsbasis mit ihrem Exmann und Unterstützung von ihrem Lebenspartner in dieser Situation.
Es handelt sich also um unerfüllte Bedürfnisse nach Gemeinschaft, Harmonie, Austausch und Nähe.
Durch das Coaching kann die Klientin nun erkennen, dass sie in bestimmten Situationen auf negative Art denkt und fühlt, weil sich dahinter diese unerfüllten Bedürfnisse befinden. Gemeinsam mit dem Coach erarbeitet sie auch, was sie selbst dafür tun kann, um diese zu erfüllen.

Im 4. Schritt findet nun der Coach mit der Klientin konkrete Ideen für die Umsetzung. In unserem Beispiel könnte das zum Beispiel sein, mehr mit ihrem Lebenspartner über ihre Gedanken und Gefühle zu sprechen, sich an Wochenenden mehr mit Freunden zu treffen oder die freie Zeit für neue Erfahrungen und Hobbies nutzen.

Gehört und ernst genommen zu werden ist eine gute Basis für ein partnerschaftliches Verhältnis und dieses beginnt am besten bei einem selbst. Häufig ist es erst einer der Beteiligten aus einer Patchwork-Familie, der sich hilfesuchend an den Familien-Coach wendet und nach der Einzelarbeit können dann auf Wunsch auch zusätzliche Parteien miteinbezogen werden. Dies basiert natürlich auf Freiwilligkeit, die ja eine der wesentlichen Coaching-Prinzipien darstellt.

Ein erfolgreiches Coaching eines der Familienmitglieder hat aber automatisch auch eine positive Auswirkung auf das gesamte System Familie. Ein harmonisches Miteinander funktioniert nur im respektvollen Umgang der einzelnen Teilnehmer – und wenn die Eltern es schaffen, dieses vorzuleben, profitieren auch die Kinder in der Patchwork-Familie von diesem positiven Beispiel.

Wenn du nun Lust bekommen hast, viele weitere Methoden des Coachings kennenzulernen, um Familien professionell zu unterstützen, so kannst du diese in unserer Ausbildung zum Familiencoach erlernen. Die Voraussetzung für diese Ausbildung ist das NLP Practitioner Diplom, da mit diesem die Basis-Kommunikationstools abgedeckt sind, die du dann in der Ausbildung zum Familiencoach perfektionieren kannst.