Es war einmal ein mächtiger König, der in einem fernen Land lebte. Er war gerecht, doch auch sehr launisch.
An guten Tagen erwachte er euphorisch, und alles schien perfekt. Die Gärten blühten, und seine Diener waren zuvorkommend. Er senkte die Steuern, gewährte Bitten und sorgte für sein Volk.
Doch es gab auch schwarze Tage. Er fühlte sich niedergeschlagen, verstand nicht, warum seine Diener ihm gegenüber kalt waren, und das Essen schmeckte nicht. An diesen Tagen erhöhte er die Steuern und ließ Gegner verhaften. Er regierte gegen sein Volk, und das häufigste Wort, das an diesen Tagen gesprochen wurde, war “nein”.
Er erkannte, dass seine Launen ihm schadeten. Deshalb rief er die Weisen seines Reiches zu sich. Er bat sie, eine Lösung für seine Stimmungsschwankungen zu finden. Trotz intensiver Bemühungen fanden sie jedoch keine Antwort.
Eines Tages erschien ein fremder, etwas seltsamer Mann und bot ihm ein kleines Lederkästchen an. “Majestät”, sagte der Mann und verbeugte sich, “dort, wo ich herkomme, spricht man von Eurer Unbill und davon, wie sehr sie Euch quält. Ich bin gekommen, Euch das Gegenmittel zu bringen.” Er neigte den Kopf und reichte dem König das kleine Lederkästchen.
Der König öffnete es überrascht und erwartungsvoll. Darin fand er nichts als einen einfachen Silberring. “Danke”, sagte der König begeistert, “ist das ein Zauberring?”
“Gewiss ist er das”, antwortete der Reisende, “aber seine Wirkung tritt erst in Kraft, wenn man ihn am Finger trägt. Jeden Morgen, gleich beim Aufstehen, müsst Ihr die Inschrift lesen und Euch jedes Mal, wenn Ihr den Ring anschaut, daran erinnern.”
Der König nahm den Ring aus dem Kästchen und las laut vor: “Sei dir bewusst, dass auch dies vergänglich ist.”
Nacherzählung der Geschichte “Der launenhafte König” von Jorge Bucay (Komm, ich erzähl dir eine Geschichte)