Systemisches Coaching bietet viele wirkungsvolle Methoden, um in Problemsituationen Lösungswege zu finden. Eine Herangehensweise aus diesem Bereich, die in den letzten Jahren zunehmend an Beliebtheit gewinnt, ist das Familienaufstellen. Aufstellungsarbeit kann unbewusste Themen der KlientInnen zum Vorschein bringen und es ihnen ermöglichen, mit mehr Klarheit und Stabilität durchs Leben zu gehen.  

Vielerlei Gründe bewegen Menschen dazu, einen systemischen Coach zu konsultieren. Das können Änderungen im örtlichen Umfeld sein, eine berufliche Neuorientierung, Unzufriedenheit mit der aktuellen Lebenslage oder auch Konflikte und Ungereimtheiten in der Familie. Bei letzterem kommt es immer wieder zum Familiencoaching. Das ist allerdings nicht der einzige Weg, um das Geflecht der Familie zu durchleuchten. Ein weiterer Zugang aus dem systemischen Coaching ist das Familienaufstellen. Doch wo ist der Unterschied? 

Coaching und Aufstellen bei Familienthemen 

Im systemischen Familiencoaching bekommt jedes Familienmitglied die Gelegenheit, die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Gedanken zu äußern. Dementsprechend werden alle involvierten Personen in die Coachingsession einbezogen. So kommuniziert die Familie direkt miteinander und ein Rahmen für offene Aussprachen mit Lösungsorientierung wird geschaffen. (Wenn du mehr zum Thema Familiencoaching wissen möchtest, lies doch diesen Blogbeitrag von uns.) 

Nicht immer ist es allerdings möglich, die gesamte Familie zum Coaching zu bringen. Besonders dann, wenn eine Problematik nicht nur den Partner oder die eigenen Kinder betrifft, sondern auch Geschwister, Eltern, Großeltern oder weiter entfernte Verwandte. In vielen Familien gibt es auch Unausgesprochenes zwischen Familienmitgliedern, die im Verlauf der Zeit den Kontakt abgebrochen haben oder “offene Baustellen” mit inzwischen Verstorbenen. Stellt sich also die Frage, wie ein Problem gelöst werden soll, das Personen betrifft, die nicht (mehr) in Reichweite sind. Hier kann eine Familienaufstellung weiterhelfen. 

Warum Familienaufstellung?

Eine Familienaufstellung kann also einerseits hilfreich sein, wenn es wissentlich Probleme oder Konflikte in der Familie gibt. Dabei muss es sich nicht um einen großen Streit handeln, es kann auch sein, dass zum Beispiel der Verlust eines Familienmitgliedes noch nicht verarbeitet wurde oder das Verhältnis zu den Eltern bereits seit jungen Jahren angespannt ist. Andererseits kann Aufstellungsarbeit auch dann von Nutzen sein, wenn sich jemand Problemen gegenübersieht, die in der Kindheit begründet sein könnten. Aufstellungsarbeit kann also bei folgenden Umständen hilfreich sein: 

  • Wenn berufliche oder private Ziele aus unerklärlichen Gründen immer wieder nicht erreicht werden 
  • Bei wiederkehrenden Krisen, Trennungen oder Tiefphasen aufgrund ähnlicher Auslöser 
  • Wenn blockierende Glaubenssätze ihren Ursprung im Familiensystem haben (z.B. Schwangerschaftsabbruch ist eine Sünde, eine arbeitende Frau ist eine schlechte Mutter, Homosexualität ist abnormal,…) 
  • Bei unerklärlichen, belastenden Empfindungen wie Schuldgefühlen, Verpflichtungen oder zwanghafter Aufopferung 
  • Bei einem Gefühl, dass ein Mensch im eigenen Leben fehlt, mit der Vermutung, dass es sich um eine (verstorbene, verschollene) Person in der Familie handeln könnte, die man nie kennengelernt hat 
  • Bei Konflikten, Zerwürfnissen oder abgebrochenem Kontakt zu Familienmitgliedern 
  • Wenn nach dem Tod eines Familienmitgliedes das Gefühl besteht, noch nicht abgeschlossen zu haben 
  • Bei Selbstwertproblemen oder Zweifeln am eigenen Leben, die ihren Ursprung in der Kindheit haben 
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Wie läuft’s ab?

In der Aufstellungsarbeit werden die Beziehungsverhältnisse innerhalb der Familie und deren Auswirkungen bewusst offengelegt. Dabei muss die Familie des/der Klienten/-in nicht anwesend sein, denn sogenannte StellvertreterInnen nehmen die Rollen der unterschiedlichsten Familienmitglieder ein. 

Die Aufstellung beginnt mit der Vorbereitung. Es wird erörtert, wer zur Familie gehört und wer in die relevante Thematik involviert ist. Sind die wichtigsten Mitglieder gefunden, sucht sich die aufstellende Person aus den anwesenden StellvertreterInnen die RepräsentantInnen für ihre Familie aus. Diese positioniert sie dann intuitiv im Raum. Bereits diese Positionierung kann vieles aussagen. Stehen enge Verwandte weit auseinander? Wenden sich Paare den Rücken zu oder stehen sie sich konfrontativ genau gegenüber? Danach werden die StellvertreterInnen gefragt, was sie gerade wahrnehmen, wie sie sich in der aktuellen Situation fühlen. 

Darauf folgt das Verändern von Positionen im Raum und das Beobachten der Folgen. Über gezielte Fragen an StelvertreterInnen oder KlientIn wird an einem Lösungsbild gearbeitet. Dazu werden außerdem häufig Lösungssätze formuliert, in denen Gefühlszustände oder Verhältnisse zwischen Personen definiert werden. Der/die KlientIn ist dabei oft in einer Beobachterrolle, die es ermöglicht, die Situation aus einer anderen Perspektive und mit mehr Distanz zu erleben und einzuordnen. Ziel ist es, den/die KlientIn mit mehr Klarheit wieder aus der Aufstellung zu lassen. Wie genau die Aufstellung abläuft, hängt auch vom jeweiligen Coach oder Therapeut ab. Hier gibt es unterschiedliche Strömungen und Herangehensweisen. Am Ende werden jedenfalls die StellvertreterInnen wieder aus ihren Rollen geholt, die Aufstellung wird aufgelöst. 

Warum Aufstellungsarbeit funktioniert

Die Kombination aus aktivem Erarbeiten von Lösungen und passivem Wirken-lassen der Erfahrung machen Familienaufstellungen für viele Menschen sehr wirksam, auch wenn das Prinzip im ersten Moment undurchsichtig wirkt. Die StellverterterInnen sind keine SchauspielerInnen, sondern völlig uninformierte Personen, die während der Aufstellung ihre Rollen verkörpern und dementsprechend wie diese fühlen und handeln. Allein die Positionierung im Raum kann schon viel Aufschluss geben, wenn zum Beispiel StellvertreterInnen spüren: “Ich fühle mich so fern von XY” oder “Ich habe das Gefühl, Person A stärkt mir nicht den Rücken, sondern sie sitzt mir im Nacken”. Eine Aufstellung visualisiert somit und bringt das zum Ausdruck, was vielleicht unterbewusst schon geahnt wurde, allerdings noch nicht klar war. 

Außerdem empfinden StellvertreterInnen oft Dinge, die sie eigentlich gar nicht wissen können, wie beispielsweise Schmerzen, die auf Krankheiten hinweisen können. Auch das kann zu Erkenntnissen führen. Ein Ansatz, wie all dies möglich sein kann, stammt aus der Neurobiologie. Unsere Spiegelneuronen und “feinen Antennen” ermöglichen es den RepräsentantInnen, Signale und Emotionen des/der KlientIn aufzufangen, auch wenn diese noch so subtil sind. So können unbewusste Enttäuschungen, Trauer oder Wut einer Person ans Licht kommen. 

Familienaufstellungen können also viel bewirken, besonders wenn sie in einem professionellen Umfeld gemacht werden. Dabei handelt es sich um eine Methode, die viel Erfahrung und Expertise seitens des Coaches oder Therapeuten voraussetzt, auch wenn die Familienaufstellung als Berufsbezeichnung nicht geschützt ist, also von jedem angeboten werden kann, der sich dazu befähigt fühlt. Gerade deshalb raten wir InteressentInnen dazu, im Vorhinein viele Informationen einzuholen und gut geschulte Coaches aufzusuchen, um am Ende den erwünschten Outcome zu erreichen. 

Neugierig geworden? Im Zuge unserer Ausbildung zur/zum Dipl. Systemische/n Coach wird auch Aufstellungsarbeit und die Dynamik in Systemen thematisiert. Hier findest du alle Informationen dazu.