In diesem Artikel wollen wir einen Blick auf die Rolle von Gefühlen im Coaching werfen und nebenbei mit dem Vorurteil aufräumen, NLP würde rein rational stattfinden. NLP hat oft den Ruf, manipulativ zu sein und Emotionen rational zu sortieren und verstehen zu wollen. Mit NLP könne man ungewollte Gefühle loswerden, indem man eine dissoziierte Beobachter-Rolle einnimmt und mit ein paar NLP Techniken und Zaubertricks wird man diese dann schnell los, so hört man.

Ja, es gibt einen sehr strukturierten, kognitiven Ansatz im NLP, aber wenn es um integratives NLP geht und auch das systemische NLP mit einbezogen wird, spielen Gefühle eine entscheidende Rolle. Emotionen sind bei unseren Ausbildungen übrigens eine wichtige Zugangsquelle, unsere Basis ist ja auch ein sehr integrativer, systemischer und ressourcenorientierter Ansatz.

Gefühle können also im Coaching eine wichtige Ressource sein und müssen nicht als Hindernisse, die es so schnell wie möglich loszuwerden gilt, verstanden werden. Ganz im Gegenteil. Gerade wenn wir uns auf unsere Gefühle auch einlassen, können diese eine sehr intensive Quelle für inneres Wachstum und Veränderungsmöglichkeiten werden.

Wie Gefühle im Coaching zu Ressourcen werden

Um Gefühle im Coaching zu einer Ressource werden zu lassen, könnten wir als Coach zuerst die Überzeugung „Ändere deine Gedanken und deine negativen Gefühle sind weg“ zur Seite stellen und einen Anreiz für uns als Coach, aber auch für den Coachee, schaffen, in Gefühle – vor allem in die als “negativ” abgestempelten Gefühle – tiefer eintauchen zu wollen.

In anderen Worten: Als Coach sollten wir die Bereitschaft haben, Angst, Sorgen, Aufregung, Wut und vielen weiteren ungeliebten Emotionen der Coachees begegnen zu wollen.

Gefühle brauchen Raum, um zu atmen und sich zu zeigen. Dabei ist es wenig hilfreich, nur darauf zu warten, den nächsten Motivationsanker abzufeuern oder einen „Moment of excellence“ herbeizuführen. Diese Werkzeuge haben ihren Nutzen (sogar einen immens großen) und eine Zeit, um eingesetzt zu werden. Wenn wir jedoch Gefühle im Coaching als Ressourcen entdecken wollen, dann sollten wir ihnen zuerst mit dem nötigen Respekt begegnen.

Der praktische Zugang zu Gefühlen im NLP Coaching

Um dem Coachee auf seiner Reise durch seine Emotionen zur Seite zu stehen, hat es sich bewährt, gemeinsam eine geführte Gefühlsmeditation zu machen. Dies ist in 15 Minuten im Coaching-Setting durchführbar, indem man den Coachee über die Beobachtung des Atems hilft zu entspannen und dann anleitet, ein Gefühl näher zu fokussieren. Das Ziel dabei ist, das Gefühl einfach da sein zu lassen, ohne es zu verhindern oder zu kontrollieren. Dies gelingt am besten, indem man die Emotion benennt und dann in einer akzeptierenden Grundhaltung damit da sitzt und es willkommen heißt. Eine Metapher wäre, das Gefühl so zu wiegen, wie es eine Mutter mit ihrem Kind tut.

Danach kann man beobachten, wie das Gefühl häufig an Intensität zunimmt und wieder abnimmt – es verändert seine Form, wie Wellen am Strand.
Wenn der Coachee in Gedanken abgleitet, dann holt ihn der Coach liebevoll wieder in den gegenwärtigen Moment zurück, was durch das Beobachten von Reaktionen im Körper am einfachsten möglich ist. Metaphern sind hier gute Möglichkeiten, um den Coachee in der geführten Trance anzuleiten und tiefer zu führen.
Durch diese Akzeptanz werden sich die Wellen der Emotionen immer mehr beruhigen und es ist an der Zeit, tiefer in den NLP Methodenkoffer zu greifen und mit der eigentlichen Ressourcenarbeit zu beginnen.

Mit NLP den emotionalen Ressourcen auf die Spur kommen

Wenn es dem Coachee möglich ist, durch die einleitende Übung seine Gefühle zu beobachten, kann der Coach nun mit Fragen zu führen beginnen:

  • Wie möchtest du auf das Gefühl reagieren?
  • Willst du es einfach so belassen?
  • Willst du dich in einer bestimmten Weise positionieren?
  • Willst du eine Entscheidung treffen?
  • Was möchte dir die Emotion sagen?
  • Welche Einsicht hast du erhalten?
  • Wie möchte dich das Gefühl unterstützen?

Es gibt auch in der Teilearbeit die Möglichkeit, der Emotion eine Stimme zu verleihen oder sie zu bitten, in Symbolen mit dir zu sprechen – ähnlich wie ein Traum aus dem Unterbewusstsein mit uns spricht.

Wichtig bei diesem Zugang zur Arbeit mit Emotionen ist es, nicht zu früh in ein Reframing zu verfallen und dem Coachee zu schnell alternative Umdeutungen anzubieten. Da sich Gefühle meist von selbst sehr rasch verändern – besonders, wenn man sie akzeptierend und achtsam beobachtet – würde ein Reframing zum falschen Zeitpunkt dem natürlichen „Emotions-Surfen“ abträglich sein.

So surft der Coach nun mit dem Coachee auf den Emotions-Wellen und verwendet vielleicht auch die Metapher eines Meeres, um zur Botschaft hinter der Emotion zu gelangen. Gemeinsam kann nun geschaut werden, welche Ressource sich hinter einer Emotion verbirgt oder welche Ressource gebraucht wird, um mit der Emotion besser sein zu können.
Durch Bodenanker und Future Paces kann nun die Emotionsarbeit mit den Ressourcen verbunden und für den Alltag integriert werden.

Du siehst, Emotionen spielen im Coaching eine große Rolle und NLP muss nicht primär dafür eingesetzt werden, Gefühle los zu werden. So wie die Landkarte nicht das Gebiet ist, so sind auch die unterschiedlichen Methoden und Techniken, die du zum Beispiel beim NLP Practitioner Kurs lernst, abhängig von ihrem Einsatzgebiet.
Mit einem Hammer kannst du schließlich potentiell auch einen Menschen töten, aber er ist sehr nützlich, wenn es gilt, einen Nagel einzuschlagen…

Emotionsarbeit und NLP vertragen sich sehr gut, wenn man weiß wie! Viele weitere Methoden und Werkzeuge dafür kannst du in unseren NLP-Kursen oder in unseren Ausbildungen üben und selbst erleben, zB beim Diplom-Lehrgang „Psychosoziale Beratung & Coaching“ – Zertifizierte Ausbildung zur Lebens- und Sozialberatung (LSB).