Welchen Rahmen brauchen meine TeilnehmerInnen, um ihr volles Potential entfalten zu können? Wie motiviere ich meine Gruppe am besten? Wodurch kann ich meinen Seminarraum zu einem fruchtbaren Umfeld für Ideen und Individualität machen? Viele TrainerInnen stellen sich tagtäglich solche oder ähnliche Fragen. Die Antwort darauf liegt im Zauberwort “Empowerment”. Ein Einblick in die Theorie, die sich dahinter verbirgt.
Empowerment. Ein Terminus, der vielen schon einmal untergekommen ist, doch nur wenige beschäftigen sich eingehend damit. Schade, denn hinter dem Wort, für das es nach wie vor keine treffende deutsche Übersetzung oder Definition gibt, verbirgt sich ein vielversprechender Ansatz. Empowerment zielt darauf ab, Personen in ihrer Selbstbestimmung zu bestärken und neue Handlungsspielräume für sie zu schaffen. Dabei werden bestehende Ressourcen und Stärken in einem Lernprozess fokussiert, mit dem Ziel, diese optimal auszuschöpfen und zu erweitern. Dadurch können neue Fähigkeiten und Eigenschaften entstehen.
Die Hintergründe
Historisch gesehen ist das Empowerment eine “Neuigkeit”, reichen seine Wurzeln nur bis in die 80er Jahre zurück. Das erste Mal wurde der Begriff in Amerikas Bürgerrechts- und Frauenbewegung verwendet und kurz darauf von Führungskräften für Unternehmen adaptiert. In Zeiten der steigenden Konkurrenz in der US-amerikanischen Wirtschaft galt es, keine Ressourcen zu verschwenden und die Effektivität zu erhöhen. Das Empowerment brachte unternehmerische Innovation, sowie höhere Mitarbeiterzufriedenheit. Die Grundpfeiler sind simpel: Viel Eigeninitiative und –verantwortung, flache Hierarchien, Vernetzung und gekonntes Nutzen von Synergien – all das begleitet von einer konstruktiven Fehlerkultur. Was in Unternehmen gekonntes Leadership, Eingewöhnungszeit und Umgestaltung der Organisationsstruktur erfordert, ist im Seminarraum von Trainerinnen und Trainern denkbar einfach umsetzbar.
Was bringt’s?
Der Nutzen für die TeilnehmerInnen liegt dabei auf der Hand: mehr Eigenverantwortung und selbstbestimmtes Handeln lassen viele Personen wahrlich aufblühen. Der Fokus sollte auf dem Positiven liegen, Schwächen und Fehlern wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt und wenn, dann mit progressivem Denken. Weg von “Das war falsch”, hin zu “Wie machen wir das Beste aus der Situation?”. Im Empowerment geht es also auch darum, ein “Yes, you can”-Mindset zu pflegen. Auch wenn natürlich jeder seine Ecken und Kanten mit in den Seminarraum bringt, so ist es an uns TrainerInnen, den TeilnehmerInnen Großes zuzutrauen.
Dass unsere Erwartungshaltung an unsere TeilnehmerInnen ihr tatsächliches Handeln beeinflussen kann, wurde bereits mehrfach bewiesen. Unter anderem in den berühmten Versuchen von Robert Rosenthal: SchülerInnen, deren Lehrkräften gesagt wurde, sie seien besonders intelligent, konnten nachweislich bessere Ergebnisse liefern, als ihre Schulkameraden. Ja, sogar ihr IQ lag nach dem Versuch im Vergleich zu ihren MitschülerInnen höher. Dabei handelte es sich bei der ausgewählten Gruppe um genauso “normale” SchülerInnen, wie bei allen anderen. Wer also als Lehrkraft oder TrainerIn eine positive Erwartungshaltung pflegt, wird sich fast automatisch dieser entsprechend verhalten, wird seine Gruppe versuchen bestmöglich zu fördern, zu unterstützen und auch zu fordern – was im besten Fall darin resultiert, dass die Gruppe sich einerseits wertgeschätzt fühlt und andererseits gute Leistungen erbringt.
Positivität – gewusst wie
Eine gewählt positive Erwartungshaltung bildet also die Basis für Empowerment im Seminarraum. Weiters geht es darum, selbstbestimmtes Handeln zu bestärken. Positives Verstärken im Sinne der Operanten Konditionierung nach Skinner ist zum Beispiel ein zielführendes Tool. Bringen TeilnehmerInnen also neue Ideen hervor, gestalten sie aktiv mit, geben sie konstruktives Feedback oder wertvolle Inputs in Diskussionen oder Übungen, so kann das von Trainerseite hervorgehoben werden. Sei es durch Lob, durch ein bekräftigendes Nicken oder ein High Five zwischendurch – es genügen die kleinen Gesten. Das erwünschte Verhalten wird so bei den TeilnehmerInnen als solches abgespeichert und mit positiven Gefühlen verknüpft. Das Resultat: die Eigeninitiative und das Vertrauen in die eigenen Handlungen steigen.
Passieren einmal Hoppalas oder Fehler im Seminarraum, so wird auch diesen mit einer positiven Grundhaltung begegnet. Die Suche nach Verantwortlichen oder gar einem Sündenbock wird unterlassen, der Blick darauf gelenkt, was das Learning in der Situation ist und wie in Zukunft gehandelt werden kann. Ganz nach dem Motto: Der größte Fehler ist es, Angst vor Fehlern zu haben.
Zusammen eigenständig
Selbstbestimmung bedeutet auch keinesfalls, auf sich selbst gestellt zu sein. Im Gegenteil. Im Empowerment geht es genauso darum, Synergien zu nutzen und zu verstehen, dass am meisten erzielt werden kann, wenn die eigenen Stärken mit denen seiner Teammitglieder bündelt werden. Für TrainerInnen im Seminarraum bedeutet das, den TeilnehmerInnen aufzuzeigen, dass einerseits jeder für sich selbst verantwortlich ist und dass es Initiative braucht, um Ziele zu erreichen, dass niemand kommt, um einen dorthin zu tragen. Andererseits geht sich jeder Weg gemeinsam leichter und wo einem selbst die Kraft oder das Know-How fehlt, kann vielleicht jemand anderes aushelfen. Die Quintessenz des Empowerments ist das gegenseitige Bestärken.
“Leaders become great, not because of their power,
but because of their ability to empower others.”
– John C. Maxwell
Beginne bei dir selbst
Wer Empowerment und Positivität in seinem Seminarraum verankern möchte, beginnt am besten bei sich selbst. “Walk what you talk” – wer kennt die magischen Worte nicht? – gilt auch hier. TrainerInnen, die Wert darauf legen, wertschätzend mit ihren TeilnehmerInnen umzugehen und versuchen, andere weiter zu bringen, anstatt klein zu machen, können diese Mentalität auf ihre Gruppe übertragen. Das bedeutet allerdings auch, nicht nur den offensichtlichen High Potentials die Führungsrollen zuzuschieben, sondern auch die Zurückhaltenden anzustupsen. Es bedeutet, Frauen in ihrem Tun genauso zu achten und zu unterstützen, wie Männer, unabhängig von alteingesessenen Geschlechterrollen. Es bedeutet, Vorurteile abzulegen und jedem Gegenüber mit der Überzeugung zu begegnen, dass es uns positiv überraschen kann.
Das hört auch nicht bei der Seminarraumtür auf, sondern reicht darüber hinaus. Versuche, das Empowerment in allen deiner Lebensbereiche zu verankern und du wirst bemerken, wie erfüllend es sein kann, anderen mit Zuversicht zu begegnen und ihnen Rückenwind zu geben. Deine Mitmenschen werden es dir jedenfalls danken und du dir selbst ganz sicher auch. Denn mit dem Empowerment ist es wie mit dem Schenken: ja, es ist ein Geben, doch das dadurch ausgelöste (Lebens-)Gefühl ist auch ganz viel Nehmen.
Du findest das Arbeiten mit Gruppen spannend und würdest auch gerne TrainerIn werden? Oder du arbeitest schon länger als TrainerIn, bist allerdings der Meinung, dass es in diesem Bereich noch viel Neues für dich zu entdecken gibt? Dann wirf einen Blick auf unsere bevorstehende Ausbildung zum/zur Dipl. TrainerIn in der Erwachsenenbildung.