Du hast noch nie von FOMO gehört? Dann müssen wir das ändern, da hast du was verpasst!
Denn FOMO ist die Kurzform für „Fear of missing out“, also die Angst etwas zu verpassen.
FOMO hat in den letzten Jahren einen Siegeszug durch die geplagten Seelen von Jugendlichen rund um den Globus hingelegt und ist mittlerweile auch bei Erwachsenen angekommen. Denn verpassen kann ich ja unendlich viel: die besten Erfahrungen, die witzigsten Situationen, das angesagteste Event, die genialsten Aktionen, von denen im Freundeskreis später noch jahrelang gesprochen wird, das tollste Seminar, etc etc.
Verstärkt wurde diese “etwas-verpassen-Angst” mit dem Informationszeitalter und insbesondere den sozialen Medien. Seither wissen wir ja quasi in Echtzeit, was sich bei unseren Mitmenschen tut. Sie befinden sich an den Traumstränden dieser Welt, feiern Parties, fahren die tollsten Autos, zaubern oder speisen die köstlichsten Gerichte und überhaupt sind die Bewohner von Facebook und Co. scheinbar die glücklichsten Menschen, die es gibt. Früher, als man sie noch persönlich kannte, hatte man das Gefühl, sie wären ganz normale Menschen, aber jetzt scheint es, als wären sie die Superstars der Feelgood-Bewegung. Da kann leicht mal der Eindruck entstehen, dass man selbst sich “falsch” entschieden hat, man seine Zeit besser anders verbringen sollte.
Liest du noch oder lebst du schon?
Über 40 Prozent aller Jugendlichen und immerhin 11 Prozent aller über 50-jährigen geben in neuesten Studien an, unter der Angst etwas zu verpassen zu leiden. Die Sorge, die tollsten Erlebnisse zu verpassen, hängt auch mit der Nutzung sozialer Medien zusammen. Allerdings sind sich die Forscher noch uneinig, ob die Social Media Nutzung FOMO auslöst, oder ob eher Menschen mit FOMO präferiert die sozialen Medien nutzen. Das ist wie mit der Henne und dem Ei.
Eines ist aber klar, die neuen Medien sind psychologisch so gestaltet, dass sie die User möglichst lange auf ihren Webseiten behalten wollen – oder möglichst oft dort wieder hinlocken. „Features“ wie endloses Scrollen oder ständige Benachrichtigungen über verpasste Neuigkeiten tun ihr übriges, um die Angst „dumm zu sterben“ weiter zu schüren. 130-mal am Tag verwenden 17 bis 23-Jährige im Schnitt ihr Smartphone – und unterbrechen damit alle 7 bis 8 Minuten ihren Tagesablauf. Kaum genug Zeit, um in einer Tätigkeit voll aufzugehen, in den Flow zu kommen oder konzentriert eine Sache zu Ende zu denken.
Ich kann ohne mein Smartphone nicht mehr leben!
Diverse Forschungen haben gezeigt, dass regelmäßige Smartphone User beginnen, ohne ihr Gerät nervös zu werden. Selbst wenn es nur ein paar Minuten sind.Kürzlich fand dazu ein Experiment statt. Die Teilnehmer wurden unter dem Vorwand, ein neues Blutdruckmessgerät testen zu dürfen, in ein Versuchslabor gelockt. Nach ein paar Minuten wurde ihnen gesagt, dass man ihnen ihr Smartphone wegnehmen müsse, weil es angeblich den Test mit dem neuen Messgerät beeinflussen würde. Ihr Smartphone wurde dann ein paar Meter von ihnen entfernt in ein Regal gelegt.
Dann kam der Clou: Die Forscher riefen nun bei den Handys an, schickten SMS und WhatsApp Benachrichtigungen, während die Studienteilnehmer noch an ihre Messgeräte angeschlossen waren.
Der Stresslevel der Teilnehmer stieg enorm an – vergleichbar mit einem dramatischen Erlebnis, das uns durch starke Adrenalin-Ausschüttung für einen Kampf um Leben oder Tod vorbereitet.
Die Forscher kamen auch zu dem Ergebnis, dass viele Menschen ihr Smartphone mittlerweile als eine Erweiterung ihres Selbst sehen und nennen es mittlerweile das „iSelf“.
Warum deine Freunde beliebter sind als du!
FOMO ist aber bei weitem nicht nur auf das Smartphone und Social Media beschränkt. Immer mehr Bücher tragen Titel wie „Die 1000 Orte, die du noch gesehen haben musst, bevor du stirbst!“ oder „1001 Filme, die du sehen solltest, bevor dein Leben vorbei ist!“.
Und auch die Medien spielen immer wieder mit der FOMO. Zum Beispiel wird bei einer Fernsehwerbung für Bier, wo Männer erst durch den Genuss desselbigen ihre Traumfrau kennenlernen, gehofft, durch das Ansprechen der FOMO-Angst mehr zu verkaufen.
Dann gibt es noch das sogenannte „Freundschaftsparadox“, das wiederum besonders in den sozialen Netzwerken sichtbar wird. Durchschnittlich soll ein Facebook-User mit 190 Menschen befreundet sein, aber warum haben dann deine Freunde 679 Freunde? Da kann doch was mit dir nicht stimmen… Es ist aber so, dass Menschen mit hoher Freundeszahl auch automatisch mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einhergehen, mit dir befreundet zu sein. Es kommt dann auch noch dazu, dass diese Freunde meist untriebiger sind als man selbst, und so auf sich aufmerksam machen.
Tatsächlich geht es jedoch nicht nur um die Quantität der Beiträge, sondern auch um die Art derselben. Menschen teilen eben nicht ihre größten und besten Niederlagen, sondern primär selektiv ihre schönsten Momente. Die Soziologin Martha Beck meint dazu: „Die Erfahrung anderer Menschen anhand dieser ausgewählten Bilder zu beurteilen, ist so, als würde man sich mit Hilfe einer Brille orientieren, die nur Berggipfel zeigt.“.
Der Weg aus der FOMO Falle
Wir neigen eher zur FOMO, wenn wir generell unzufrieden sind und unser Bedürfnis nach menschlicher Nähe und Verbundenheit nicht erfüllen können. Genau in diesen Momenten haben wir die Tendenz z.B. auf die sozialen Medien zuzugreifen und unser Smartphone zu zücken, was aber dieses Bedürfnis nicht befriedigt, sondern eben die FOMO weiter steigert. Ein Teufelskreis beginnt.
Je mehr wir online auf der Suche nach Verbundenheit Zeit verbringen, desto einsamer fühlen wir uns.
Der Ausstieg gelingt z.B. durch das aktive Bewusst-machen dieses Musters, ein Reflektieren und Ändern der eigenen Mediennutzung (z.B. persönliche “Social Media Öffnungszeiten”, Einsatz von Lautlos- und Bitte-nicht-Stören-Modus am Handy, ein 2-Stunden-Timer zum Nachrichten checken – und dazwischen sind Facebook, Twitter, WhatsApp und vl. sogar SMS tabu, …) oder durch Aktivitäten, die unser wahres zugrundeliegendes Bedürfnis befriedigen.
Eine distanzierte Sichtweise auf das scheinbar fabelhafte Leben der Facebook-Freunde hilft auch dabei, etwas realistischer auf mein eigenes Leben zu blicken.
Das nächste Mal, wenn das nagende Gefühl der inneren Leere im Vergleich zu deinen Mitmenschen in dir auftaucht, kannst du nun beruhigt sagen:
„Hallo, FOMO! Schön, dass du wieder mal vorbei schaust. Ich hab da aber diesen Artikel im il Blog gelesen und jetzt weiß ich, was du wirklich willst! Ich ruf jetzt mal wen an und rede oder treffe mich mit echten Menschen….“
In diesem Sinne: YOLO statt FOMO!