Der britische Neurologe und Autor Oliver Sacks ist vielleicht ein Begriff durch den berührenden Film „Zeit des Erwachens“ (mit Robin Williams und Robert de Niro), der auf einem seiner Bücher beruht.
Oliver Sacks ist 2015 verstorben und hat bis zuletzt an einem Buch gearbeitet, das aktuell auch auf Deutsch erschienen ist und den Titel „Der Strom des Bewusstseins“ trägt.
Darin geht es primär um Kreativität – wie diese entsteht und sich ausprägt – und um die Rolle, die unser Gehirn dabei spielt.
Ein willkommener Anlass für uns, uns mit einigen Ergebnissen aus seinem Vermächtnis näher zu beschäftigen und die Rolle der Kreativität im Coaching zu betrachten.
Kreativität – Ich will doch nur spielen…
Kreativität ist ein vielschichtiges Phänomen, dem man sich von unterschiedlichen Richtungen nähern kann.
In der kindlichen Entwicklung ist das Spiel der wichtigste Weg, um sich kreativ auszutoben. (Etwas, das wir leider als Erwachsene viel zu wenig tun – mehr dazu findest du im Artikel über „Spielend Lernen“).
Im kindlichen Spiel wird Bekanntes wiederholt und nachgeahmt, Neues erfunden und erkundet – alles ebenso Bestandteile der Kreativität. Kinder haben einen natürlichen Wissensdrang und brauchen nicht zum Spielen motiviert werden – es ist sogar ein Merkmal des Spiels, dass es selbstmotivierend ist und keine Selbstdisziplin benötigt. Kreativität ist uns also angeboren.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil unser Kreativitäts-Entwicklung sind Geschichten. Geschichtenerzählen und Mythenbildung sind fundamentale menschliche Tätigkeiten, uralte Strategien, um die Welt zu verstehen. Durch Geschichten können wir unserer Kreativität freien Lauf lassen und damit neue Verhaltensweisen und Sichtweisen austesten.
Geschichten sind auch ein reichhaltiger Nährboden, um bekannte Dinge miteinander zu kombinieren, um dadurch etwas völlig Neues zu schaffen.
Kopieren, Imitieren und Üben als Wege zur Kreativität
Oliver Sacks widmet sein Buch auch der Bedeutung von „Mimikry“ – also dem Nachbilden und Wiederspiegeln von physiologischem und psychologischem Verhalten. Mimikry ist unser Leben lang ein wichtiger Aspekt des Lernens und der Kreativität – eben auch auf der Ebene unserer Psyche und um Lösungsstrategien für unsere alltäglichen Probleme zu finden.
Die Nachahmung bringt viele Vorteile in der Entwicklung von Intelligenz und Kreativität: Die eigenen Stärken und Grenzen besser kennenzulernen, den eigenen Ton zu finden und durch Übung und Wiederholung zu perfektionieren.
Wenn wir in die Kunst oder Literatur blicken, so haben die meisten schöpferisch tätigen Menschen Vorbilder, denen sie nacheifern – und erst nach einiger Zeit, wenn sie die Techniken durch Imitation und Wiederholung perfektioniert haben, entsteht ein neuer Aspekt in ihrem Schaffen.
Dabei ist zu bemerken, dass diese Kreativität in den seltensten Fällen wirklich ein „Feuerwerk der Neuigkeiten“ ist, die von einem Künstler unentwegt abgefeuert wird. Selbst bekannte Schriftsteller wie Sir Arthur Conan Doyle, der Schöpfer der „Sherlock Holmes“ Romane, blieb nach dem Erschaffen einer zur damaligen Zeit völlig neuen Form der Detektiv-Geschichte dieser Form bis ans Ende seiner Tage treu.
Ähnlich ist das auch bei Künstlern, die einmal ihren individuellen Stil gefunden haben und diesen dann im Laufe ihres Lebens perfektionieren.
Es sind daher oft die „kleinen Schritte der Veränderungen“ zwischen langen Phasen der Wiederholung und Übung, die die Kreativität zu dem machen, was sie ist: Eine Schulung unseres Unbewussten, damit dieses dann in Ruhe- oder Traumphasen durch Bilder, Vorstellungen, Träume, Eingaben und überraschenden Ideen zu uns sprechen kann.
Die Rolle der Kreativität im Coaching
Coaching als Prozess der begleitenden Lösungsfindung und des Lernens neuer Verhaltensweisen hat damit per se schon viele Gemeinsamkeiten mit Kreativität. Auch im Coaching wird daher viel geübt, kopiert, imitiert und perfektioniert.
Dies kann durch kreative Coachingmethoden weiter gefördert werden.
Im systemischen-, lösungs- und ressourcenorientierten Coaching-Ansatz wird zum Beispiel viel mit Bildmaterial (Innere Bilder, Symbole, Karten) gearbeitet. So können versteckte Botschaften entschlüsselt und neue Lösungsstrategien im Unterbewusstsein verankert werden.
Ein weiterer Zugang im Coaching mit kreativen Methoden ist der Einsatz von spielerischen Ansätzen zur Lösungsfindung. So kann beispielsweise mit Legomännern und -frauen (und gerne auch Tieren und Steinen…) das betroffene Problemfeld nachgestellt und dann aus der Metaebene heraus besprochen werden.
Oder man verwendet einen Würfel als spielerische Methode, um den inneren Widerstand bei gewünschten Verhaltensänderungen “abzulenken“: wenn ich eine gerade Zahl würfle, probiere ich das neue, im Coaching erarbeitete Verhalten heute, sonst darf ich nochmal tun wie immer.
Dies aktiviert auch die rechte Gehirnhälfte und damit den Sitz der Kreativität. Förderlich sind dabei auch „kreative Pausen“, um dem Gehirn die Zeit zu geben, Prozesse zu verarbeiten.
Denn schließlich ist jeder Mensch von Geburt an kreativ – und das Coaching kann diese natürliche Kreativität bündeln und weiter trainieren.